ZU GAST IN WETTINGEN

Wovon viele Buben träumen, ist für ihn Wirklichkeit geworden: Denn was er mit 13 Jahren zum Plausch ein bisschen ausprobierte, ist heute sein Beruf; statt bürgerlich in einem Büro zu höckeln, fährt er jetzt im Wohnwagen kreuz und quer durch die Schweiz und steht allabendlich, oft auch noch nachmittags, im gleißenden Scheinwerferlicht: Criselly, 19jährig, Zürcher und von Beruf Jongleur!

Angefangen hatte es mit zwei kleinen Bällen, die er kunstvoll in die Luft zu werfen und noch viel kunstvoller wieder aufzufangen versuchte. Damals war Christian Elliker, wie sein «bürgerlicher» Name lautet, Schüler im Zürcher Quartier Höngg. Sein Vater ist dort Landwirt, der vor allem Obstbau betreibt. «Als ich mit 13 Jahren meine ersten Jonglierversuche machte, waren meine drei älteren Schwestern in dieser Kunst noch viel besser. Aber sie wurden von dem Virus nicht so gepackt wie ich…» Doch nicht nur der «Virus» war entscheidend, sondern es gehört – wie bei jedem Artisten oder Künstler – halt auch eine gehörige Portion Begabung dazu.

Als dann einmal der Zirkus «Olympia» in Höngg gastierte, ging Christian dort ein bisschen trainieren: Ein grosser Kollege, ein «richtiger» Jongleur weihte den Buben in die Grundbegriffe der Jonglier-Technik ein. Inzwischen hatte Christian längst angefangen, mit drei und mehr Bällen umzugehen, hatte sich auch schon mit Ringen versucht: «Das Schwierigste sind dann erst die Keulen, weil es bei denen nicht egal ist, wie sie sich in der Luft drehen. Schliesslich muss man sie wieder am Griff auffangen können».

Rasch zeichnete sich ab, dass es für den schlanken, grossgewachsenen Bauernbub nur ein wahres Berufsziel gab. Die Eltern zeigten mehr als Verständnis dafür, sie waren begeistert. So konnte Christian bei einem grossen Meister – Jack Lupescu – Unterricht nehmen.

Die langen, sehr schlanken Finger von «Criselly» sind bei unserem Gespräch ständig in Bewegung. Auf dem Wettinger Margeläcker sass er uns gestern im Pressewagen vom Circus Nock gegenüber. Genau wie bei seinem tollen Auftritt in der Manege, hat der 19jährige auch privat noch gar nichts von einem Routinier oder von einem gelangweilten Star an sich. Im Gegenteil – er wirkt fast etwas linkisch, gehemmt – und doch spürt man gleichzeitig bei ihm auch das Feuer, mit dem er seinen Beruf als Jongleur ausübt. Nach Abschluss der Realschule hatte Christian «eigentlich» eine Handelsschule besuchen wollen: «Nur so, um noch ein bisschen etwas zu lernen».

Aber statt in die Handelsschule, ging mit I6½ Jahren gleich in die Manege. Beim Schweizer Zirkus Stey bekam er sozusagen einen Lehrlingsvertrag in Sachen Artistik. Zwar hatte er dort auch schon einen Auftritt als Jongleur im Programm, daneben aber musste er überall ein wenig mithelfen. 800 Franken verdiente er damals, plus freie Kost und Logis. Das heisst, der Zirkus stellte ihm einen Wohnwagen zur Verfügung, verpflegt wurde er in der Unternehmensküche…

Nach dieser Stey-Saison besuchte Criselly dann doch noch ein halbes Jahr eine Handelsschule. Daneben aber übte er – wie er das damals schon seit über drei Jahren tat – täglich rund acht Stunden Jonlage. Später gastierte er in Nightclubs, an Galas und ähnlichen Veranstaltungen. Bevor er nämlich 18 war und selber Autofahren konnte, wollte er nicht mehr zu einem Zirkus. Inzwischen hat er auch diese Hürde genomme, besitzt ein Auto samt Campingpwagen und hat eben den Saisonvertrag mit dem Aargauer Circus Nock abgeschlossen.

1987, Ein Bericht von Rosmarie Mehlin mit Bildern von Fredi Lüthin